Interview von Hans Pagel (HP) mit Jan Ebel (JE), der auf einem Hausboot in der Bucht lebt

Hans Pagel: Viele Anwohner hier in der Bucht machen sich die unterschiedlichsten Gedanken über Euch Seebewohner. Wie lebst du hier, mit wieviel Kindern, Tieren?

Jan Ebel: Unser Boot heiß „Edgar“. Ich lebe hier auf diesem Boot seit 2 Jahren mit meiner Freundin Jasmina und meinem Hund Lotte. Jasmina ist schwanger, wir haben bald noch einen kleinen Jungen.

HP: Wieviele Menschen leben Deiner Schätzung nach auf dem Rummelsburger See?

JE: Wirklich dauerhaft, jeden Tag, sind es vielleicht 10 Boote, bei denen permanent Leute an Bord sind. Wir kennen uns untereinander. Es kommen auch immer viele neue Leute dazu. Bislang habe ich noch keine negativen Erfahrungen gemacht.

HP: Aber es liegen doch mehr als zehn Boote im Wasser.

JE: Insgesamt sind es etwa 30 Boote. Es gibt Boote, die werden leider nur abgestellt und die können auf Grund rechtlicher Lücken auch abgestellt bleiben und vergammeln auch teilweise. Das ist aber der kleinere Teil, vielleicht 3 oder 4 Boote. Bei den meisten Booten kümmern sich die Leute mindestens einmal am Tag darum, so wie es auch vorgeschrieben ist.

HP: Was sind das für Leute, die sich hier auf dem See aufhalten?

JE: Also jeder Menschenschlag ist vertreten, vom Millionär bis zum bitterarmen Mitbewohner.

HP: Liegen die alle vor Anker?

JE: Die vor Anker liegen sind eigentlich nicht so viele; mehr an den Spundwänden, viele auch komplett legal. Die haben ihren Platz dort privat gepachtet oder direkt beim Wasserschifffahrtsamt (WSA) angemeldet. Es gibt auch viele, die das Recht nutzen, 24 Stunden anzuliegen, mit Seitenlicht, einmal am Tag an Bord. Das sind vielleicht so 5 bis 10 Boote.

WiR – Wohnen in der Rummelsburger Bucht Nachbarschaftsverein – Interview mit Seebewohner Jan Ebel – Hausboote auf dem Rummelsburger SeeHP: Wie ist die Kommunikation untereinander?

JE: Wir haben eine rege Kommunikation untereinander. Man guckt, wo etwas fehlt. Zum Beispiel wenn einem auffällt, dass ein Positionslicht nachts nicht an ist. Dafür gibt es eine WhatsApp-Gruppe. In der Facebook-Gruppe laufen eher Diskussionen oder Planungen von Festen. Auf WhatsApp läuft eher so das aktuelle: Achtung, da läuft ein Boot voll, wo fehlt jemandem etwas, da ist ein Fender verloren, kümmert euch um das Positionslicht und anderes.

HP: Wie häufig wird kommuniziert?

JE: Mindestens einmal pro Tag. Da geht es dann um neueste Entwicklung im See, wo wurde grad mal etwas geklaut. Es wird auch viel vor Diebstahl gewarnt. Kleinigkeiten – es gibt immer irgend etwas. Manchmal hat auch einer etwas zu verschenken.

HP: Diebstahl: bekommt ihr da irgendetwas mit?

JE: Leider nicht. Aber dafür versuchen wir uns auch zu vernetzen. Wenn jemand auf mein Boot kommt, auch wenn er sich schon vorher angemeldet hat, dann bekomme ich sofort 5 Anrufe: „Da sitzt jemand auf deinem Boot, ist das in Ordnung?“ Das machen wir bei irgendwelchen Vorkommnissen, die uns seltsam vorkommen. Da achten wir aufeinander.

HP: Anderes Thema: Wie ist das Leben auf dem Boot? Wie ist die Versorgung: Frischwasser, Lebensmittel, Strom und dann natürlich Abfälle, Fäkalien usw.?

JE: Also ich persönlich habe 1.500 Watt Solar auf dem Dach, die reichen aus für den Kühlschrank, um mein Licht anzuhaben, um meine Pumpen zu betreiben. Mein Wasser hole ich mir alle 2 Wochen im Hafen und kann dann auch gleichzeitig meine Fäkalien absaugen. Es gibt hier im Hafen, in der City-Marina bei der Hafenküche, fast jeden Service, das funktioniert ganz gut. Für Einkäufe habe ich ein Lastenrad. Das ist unentbehrlich, denn ich habe kein Auto. Im Winter, wenn Eis ist, hole ich mit dem Lastenrad auch das Wasser. Dann habe ich auch eine Bio-Toilette, mit Sägespänen.

HP: Machen das alle so, oder wie schätzt Du das ein?

JE: Das machen so ziemlich alle. Solar ist eine ziemlich essentielle Geschichte, Frischwassser genauso. Und die Leute, die keinen Fäkalientank haben, die haben, so ähnlich wie ich es auf meinem anderen Boot „Rockfisch“ habe, Bio-Toiletten mit Sägespänen. Ich persönlich entsorge den Müll zum größten Teil bei mir auf der Arbeit. Da gibt’s einen großen Müllcontainer. Oder auch hier bei der City-Marina gibt es den Service, dass man Müll entsorgen darf. Der große grüne Container am 22.Stunden-Anleger bietet sich hin und wieder auch mal an.

Bei den anderen Seebewohnern kenne ich es auch so: sie achten darauf, ihren Müll mit zur Arbeit zu nehmen oder anders ordentlich zu entsorgen. Das ist halt leider nicht perfekt gelöst. Aber da sind alle ganz bewusst. Keiner schmeißt hier Müll ins Wasser. Wenn der Container voll ist, geht man halt ein bißchen weiter. Außerdem machen wir in der WhatsApp-Gruppe manchmal Absprachen, wenn mal ein Auto da ist oder ich fahre mit dem Lastenrad zum BSR-Hof in der Fischerstraße. Andere Leute bieten das auch an.

WiR – Wohnen in der Rummelsburger Bucht Nachbarschaftsverein – Interview mit Seebewohner Jan Ebel – Hausboote auf dem Rummelsburger SeeHP: Gibt es irgendwelche Ereignisse, Vorfälle? Wie habt ihr das große Feuer auf dem See erlebt?

JE: Das war im März. Ich war zufällig genau an dem Tag nicht da, habe alles von Hannover aus erlebt. Ich war einer der ersten, die angerufen wurden, als das Feuer ausbrach. Es gab viele Boote, die auf andere Boote getrieben sind. Dabei entstanden kleinere Brände, die man hätte löschen können, wenn einer vor Ort gewesen wäre. Das war leider ärgerlich, da ich einer der wenigen bin, die ein schnelles mobiles Boot haben.

Wir haben dann versucht, alle anzurufen. Es ging in erster Linie darum, dass keiner an Bord ist und keiner zu Schaden kommt. Später kam es ja dann auch zu Explosionen. Zum Glück ist alles ohne Personenschaden ausgegangen. Am Abend vorher haben wir noch zusammen gesessen und über das Frühjahr geredet.

So richtig genau weiß immer noch keiner, was genau passiert ist. Die Schäden wurden dann so schnell wie möglich von uns entsorgt. Leider waren gerade von den mittellosesten Leuten die Wracks aber noch da. Und die sind dann auch nicht so richtig aus dem Tee gekommen. Und wir haben uns auch erst mal nicht zuständig gefühlt. Klar, wir hätten gerne mitgeholfen, wenn einer eine Ansage gemacht hätte, aber die Ansage hat gefehlt. Später als es dann etwas Druck gab, auch von der Polizei, haben wir dann einen ganz großen Einsatz gemacht, der auch über die Gruppe geleitet wurde. Und haben dann alle Wracks entfernt.

Die letzten beiden Baustellen sind jetzt noch die beiden Stahlboote, die noch vorne an der Nordwand liegen, die werden jetzt auch verschrottet. Die sind zwischendurch abgesoffen und wurden in Gemeinschaftsarbeit wieder geborgen. Sie sollen in die Marina gebracht und auf den Müllwagen gehoben werden.

HP: Gesunken ist ansonsten kein Boot?

JE: So richtig gesunken ist eigentlich nichts. Es ist nur etwas Plastereste von Kunststoffbooten abgesoffen. Da wird etwas auf dem Grund gelandet sein. Ich habe auch mal WSA gesehen, wie die etwas aus dem Wasser gefischt haben und mit dem Peilgerät drüber gefahren sind.

HP: Und wie war es bei den Herbst-Stürmen? Da habt ihr euch am Ufer festgemacht?

JE: Genau. Beim ersten Sturm hatte ich sogar bei der Polizei angerufen und hab’ gefragt, ob wir uns aus Sicherheitsgründen für eine Nacht am Jugendschiff festmachen können. Das wurde uns ganz klar und deutlich gesagt, dass wir das nicht dürfen. Darauf haben wir uns dann am Ufer festgemacht; andere sind in die Marina gefahren. Das hat eigentlich gut geklappt. Und nach dem Sturm kam es auch gleich zu einer großen Bergungsaktionen. Einige nahmen die Schlauchboote und fuhren das ganze Ufer ab und sammelten alles ein: Fenster, Scheiben, Planen bis zu Solar-Panelen. Wir haben alles aus dem Wasser gefischt. In der Gruppe stellte sich dann recht schnell heraus, wem was gehört. Der Rest kam dann zur BSR oder in den Container.

HP: Wie ist die Kommunikation mit den Leuten am Ufer, Passanten?

JE: Wir erleben, wenn wir am Ufer liegen, ein sehr großes Interesse. Sehr wohlwollend und sehr nette Leute. Sehr selten, dass Leute sagen, das ist häßlich oder das gefällt uns nicht. Ist schon vorgekommen, aber 90% der Leute finden es total klasse, was wir machen. Die finden die bunten Konstrukte an der Fischer-Wand am Bartholomäusufer auf Stralau witzig. Teilweise ist es ja schon fast ein Geheimtip für Touristen geworden, am Ufer lang zu laufen und sich die verrückten Boote und bunte Gebilde anzuschauen. Sicherlich Geschmacksache, aber es sind ziemlich viele Befürworter und Leute, die das witzig und cool finden.

HP: Es waren ja schon vor ca. 2 Jahren die ersten Berichte darüber in den Medien. Wie ist die Tendenz? Nimmt die Besiedlung des Sees zu?

JE: Es nimmt zu. Und ich denke, der Trend wird auch weiter in diese Richtung gehen. Es ist die Frage, ob es mehr Ankerer geben wird. Das lässt sich schwer beurteilen. Aber es gibt den Trend, aufs Wasser zu gehen, allein wegen der Wohnungsknappheit und den teuren Angeboten, die es sonst gibt. Man kann Boote relativ erschwinglich im Internet kaufen.

Auf dem Wasser generell und speziell in der Bucht: es wird mehr werden, da kommen wir nicht drum herum. Es werden ja auch Stimmen laut, das zu limitieren und nur eine begrenzte Anzahl an Booten zuzulassen. Das halte ich nicht für machbar. Und das fände ich auch zu elitär. Es ist ja gerade dieser freie Raum, den man hier auf dem Wasser hat. Den dann auch wieder zu reglementieren oder einzugrenzen, wäre ein schlechter Ansatz.

HP: Was wäre sinnvoll?

JE: Klar, es gibt die Sedimentbelastung im See. Und es gibt diesen stark belasteten Bereich an der Nordspitze. Es würde keinem weh tun, dort gelbe Tonnen zu installieren und damit für die Befahrung zu sperren. Da ist stark belastetes Flachwasser. Man könnte so fast das ganze vordere Viertel der Bucht absperren, so wie es auch dem Entwicklungskonzept des Bezirksamtes entspricht.

HP: Danke für das Gespräch!